Hegemoniekonflikt und Universität

Die Jenaer Philosophie zwischen den Weltkriegen

Online-Ausstellung

Einführung

Die Aus­stellung rekon­struiert die Ent­wicklung der Jenaer Phi­lo­sophie von der Zeit des ersten Welt­krieges bis in die ersten Jahre der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft. Im Mit­tel­punkt stehen die Inhaber der beiden Lehr­stühle am Jenaer phi­lo­so­phi­schen Seminar Bruno Bauch und Max Wundt, die von 1911–42 bzw. von 1920–29 in Jena tätig waren. Uns geht es darum nach­zu­voll­ziehen und nach­voll­ziehbar zu machen, wie hier jeweils phi­lo­so­phische Begrün­dungs­an­sprüche und poli­tische Ori­en­tie­rungen inein­an­der­greifen und mit­ein­ander ver­mittelt sind. Denn ihre Texte, Über­le­gungen und Akti­vi­täten sind auch als poli­tische Inter­ven­tionen zu ver­stehen, die sich nicht allein aus bloß pri­vaten Über­zeu­gungen oder Anpas­sungen an äußere Umstände, sondern aus dem jewei­ligen phi­lo­so­phi­schen Selbst­ver­ständnis ergeben. Um eine solche Kon­tex­tua­li­sierung zu ermög­lichen, sind auch die zeit­ge­schicht­lichen Zusam­men­hänge ein­zu­be­ziehen, auf den sie reagieren und ein­wirken. Das schließt lan­des­ge­schicht­liche Ent­wick­lungen ebenso ein, wie ihren kon­kreten uni­ver­si­tären Handlungsrahmen.

Mit Blick auf die letzten Zeit­ab­schnitte, denen sich diese Aus­stellung widmet, kann so sichtbar gemacht werden, dass es sich in der Beziehung von Phi­lo­sophie und Natio­nal­so­zia­lismus nicht um ein ein­faches Unter­drü­ckungs­ver­hältnis handelt, in dem sich macht­loser Geist und geistlose Macht unver­mittelt gegen­über­stehen. Vielmehr ent­wi­ckeln die Jenaer Prot­ago­nisten eigen­ständige Legi­ti­mie­rungs- und Begrün­dungs­ver­suche, die sich aus einer schritt­weisen Radi­ka­li­sierung von Motiven ergeben, die schon während des ersten Welt­krieges und in den Fol­ge­jahren ent­wi­ckelt worden sind. Diese Legi­ti­mie­rungs- und Begrün­dungs­ver­suche sind dabei kei­neswegs ein­heitlich: auch in Jena bemühen sich ganz unter­schied­liche Strö­mungen darum, den NS aus ihrem phi­lo­so­phi­schen Hin­ter­grund heraus zu recht­fer­tigen und ihm ihre spe­zi­fi­schen Tra­di­ti­ons­be­stände zuzuführen.

Dass eine solche Ent­wicklung kei­neswegs zwangs­läufig oder einfach dem Zeit­geist zuzu­schreiben ist, ver­deut­lichen Sei­ten­blicke auf andere Leh­rende und andere Fach­be­reiche. Zwar finden sich dabei auch Figuren wie Carl August Emge, der später als über­zeugter Natio­nal­so­zialist zur rechten Hand Hans Franks an der „Aka­demie für deut­sches Recht“ werden sollte. Zugleich arti­ku­lieren sich hier Stimmen, die den von Bauch und Wundt ver­tre­tenen Posi­tionen deutlich wider­sprechen. In diesen Aus­ein­an­der­set­zungen und Kon­flikten zeigt sich die Offenheit auch dieser geschicht­lichen Periode.

Diese unter­schied­lichen the­ma­ti­schen Ebenen finden sich in der ver­ti­kalen Glie­derung der Aus­stellung: einer kurzen national- und lan­des­ge­schicht­lichen Ein­führung (Ebene 1) folgt ein kurzer Abriss der jewei­ligen uni­ver­si­tären Ent­wick­lungen (Ebene 2), bevor auf die beiden zen­tralen Prot­ago­nisten, Bruno Bauch (Ebene 3) und Max Wundt (Ebene 4) ein­ge­gangen wird. Ergänzend oder kon­tras­tierend werden zusätzlich ihre Vor­gänger, Pri­vat­do­zenten oder Pro­fes­so­rInnen anderer Fach­be­reiche ein­be­zogen (Ebene 5). Die hori­zontale Linie folgt dem Zeit­verlauf und ver­sucht hier wesent­liche Phasen und geschicht­liche Ent­wick­lungen abzu­bilden: die Zeit des ersten Welt­krieges (1914–18), der Novem­ber­re­vo­lution (1918–19), der linken Reform­re­gie­rungen in Thü­ringen (1920–23), der Ord­nungsbund-Regierung ab 1924, der Wirt­schafts­krise und der ersten Regie­rungs­be­tei­ligung der NSDAP (1929–33), sowie des Auf­stiegs und der Fes­tigung der NS-Herr­schaft (ab 1933). Auf diese Weise kann die Aus­stellung in ver­schie­denen Rich­tungen gelesen werden: Ver­tikal gelesen ermög­licht sie es, die ver­schie­denen Kon­texte und Akteure in einem bestimmten Zeitraum auf­ein­ander zu beziehen. Hori­zontal gelesen soll die Ent­wicklung der ein­zelnen Akteure oder Insti­tu­tionen im Zeit­verlauf nach­voll­ziehbar werden. Dia­gonal? – das pro­biert ihr am besten selbst… 

(Für eine optimale Dar­stellung wird ein Desktop-Bild­schirm bzw. ein Display von mind. 800 Pixel Breite empfohlen.)

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