
Im Rahmen der Reichsgründungsfeiern vom 18. Januar hält auch Bruno Bauch 1926 seine Rede „Der Geist von Potsdam und der Geist von Weimar“. Potsdam und Weimar galten seit dem Kaiserreich als Symbol der staatlichen und kulturellen Einheit Deutschlands, das verschiedene politische Kräfte zu besetzen suchten.
Bauch wendet sich, wie schon Eucken 1914, in seiner Rede gegen Versuche, die militaristische Tradition Preußens und die künstlerisch-wissenschaftliche Tradition der Weimarer Klassik gegeneinander auszuspielen.
Er will zeigen, dass diese Trennung auf einem Mißverständnis beruht. In Wahrheit bilden beide eine Einheit. Diese Einheit des Geistes von Weimar und Potsdam versucht Bauch über den Begriff der „Tat“ aufzuweisen. Die „Tat“ versteht er unter Berufung auf Fichte und Kant als beständiges Streben nach sittlicher Vollkommenheit. Sie folgt der eigenen inneren Verpflichtung und ist zugleich in der Welt wirksam.
Dieses Verständnis der Tat findet sich, so Bauch, in der militärischen Tradition Preußens. So hatte sich auch der „Philosoph auf dem Thron“, Friedrich der Große, als erster Diener des Staates verstanden. Aus diesem Pflichtbewusstsein seien seine Verwaltungsreformen, sein Einsatz für die Entwicklung des Schulwesens und die Unterstützung für Handel und Gewerbe zu verstehen. Auch der Ausbau des Heeres gehöre hierher. Schließlich sei ohne Macht auch kein Recht. Ebenso sind die Handlungen seiner Nachfolger „an jenen höchsten ethischen Idealen orientiert, die wir seit Kant und seinen großen Nachfolgern im deutschen Idealismus auch in der deutschen Philosophie Gestalt gewinnen sehen.“
Umgekehrt sei auch die Dichtung der Weimarer Klassik aus diesem im deutschen Idealismus entwickelten Pflichtverständnis zu verstehen. In Fausts Wort „Am Anfang war die Tat“ drückt sich „die ganze Fülle und Tiefe des Geistes der deutschen Philosophie von Leibniz und Kant bis Fichte und Hegel“ aus. Auch Schillers Ausspruch „Des echten Mannes wahre Feier ist die Tat.“ sei in diesem Sinne zu verstehen. Sowohl Goethes „Faust“ als auch Schillers „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ schildern übereinstimmend die Entwicklungsschritte der sittlichen Läuterung: vom sinnlichen Triebleben über die künstlerische Kontemplation hin zum sozialen Wirken in der staatlichen Gemeinschaft.
Hier beginnt Bauch nun, die politischen Konsequenzen seines Tatverständnisses zu entwickeln. „Das Gesetz fordert nicht den allgemeinen Massenwahn atomistischer Gleichheit, der gerade das Ungesetz ist, sondern im Gegenteil individuelle Differenzierung und organische Gliederung.“ Unter „organischer Gliederung“ werden dabei klare Hierarchien verstanden. Sie verwirklicht sich durch die Unterordnung unter eine Recht und Gesetz schützende fürstliche Regierungsgewalt, unter der jeder „froh, ja stolz gehorchen“ kann. Die Gemeinschaft, die sich durch die Unterordnung aller unter die jeweils vorgeschriebene Pflicht bildet, wird zudem als staatlich begrenzte verstanden. Ohne die Verwirklichung in einzelnen Nationen bleibt „die Menschheit eine indifferente Abstraktion“. Seinen „nach Rangordnung von Wert und Leistung gegliederten Sinn“ kann das konkrete geschichtliche Leben der Menschheit nur in der Nation gewinnen.

So kann er seine Rede mit dem Bekenntnis beschließen, dass ein so verstandenes Deutschtum auch eine neue Liebe zu Deutschland zur Folge haben wird. „Dann wird diese Liebe auch ein großes Wollen erzeugen, das zum Ziele hat, alles, was deutsch ist und das aus unserem Herzen reißen wird allen Sklavensinn des Verzichtes auf geheiligtes Deutsches Gut und Recht, damit der Deutsche nie vergesse, was des Deutschen ist, sondern es mit der Liebe des Verstehens umfange als den Gegenstand seiner heiligen Sehnsucht.“
Diese Aneignung des „Geistes von Weimar“ bleibt höchst selektiv. Schillers „arm ist es, nur einer Nation zu dienen“ wird ebenso unterschlagen, wie Goethes Abneigung gegen den Nationalismus der Befreiungskriege, Kants Hoffnung auf einen ewigen Frieden und die Revolutionsbegeisterung des deutschen Idealismus. So versteht es Bauch, beide Traditionen sowohl gegen die bestehende Republik und sozialistische Umgestaltungsversuche als auch gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrages zu wenden.
Literatur
Bruno Bauch, Der Geist von Potsdam und der Geist von Weimar, Jena 1926.
Bildnachweis
Deckblatt und Bild 1
- Titel: Bruno Bauch, vor 1920
- Autor: unbekannt
- Quelle: http://phaidon.philo.at/asp/bbauch.htm
- bearbeitet von SB
Bild 2
- Titel: Fichtes „Rede an die deutsche Nation“
- Ausschnitt eines Wandgemäldes 1913/14, von Arthur Kampf