
Der „Thüringer Hochschulkonflikt“ ist nicht die einzige Auseinandersetzung zwischen Landesregierung und Universität. Zu Konflikten kommt es auch zwischen Volksbildungsminister Max Greil und der Studierendenschaft.
Die Anerkennung der Studentenschaften ist in der Weimarer Republik Ländersache. In Thüringen erfolgt sie durch einen Verwaltungsakt. Die Regelung der Mitgliedschaft wurde in den Satzungen der Studentenschaft festgelegt.
Umstritten ist dabei, ob und zu welchen Bedingungen ausländische Studierende Mitglieder der Studentenschaft werden können. Davon ist auch ihre Interessenvertretung in den Gremien der studentischen Selbstverwaltung und der Hochschulverwaltung abhängig.
Die Deutsche Studentenschaft legt sich 1919 auf ein großdeutsches Mitgliedschaftskriterium fest. Demnach sind die deutsche Abstammung und Muttersprache entscheidend. Nur „deutschstämmige“ Ausländer werden als Mitglieder akzeptiert.
Im weiteren Verlauf kommt es innerhalb der Studentenschaft zu einem Streit darum, wie das Kriterium der „Abstammung“ auszulegen sei. Insbesondere Vertreter der süddeutschen und auslandsdeutschen Studentenschaften plädieren dafür, nur „rassisch-arische“ Studenten als Mitglieder aufzunehmen. Auch die „Deutsche Burschenschaft“, die seit dem Eisenacher Burschentag 1920 selbst nur „deutsche Studenten arischer Abstammung“ aufnimmt, vertritt diese Forderung. Die Deutsche Studentenschaft ist gespalten und kann auch in den kommenden Jahren den Konflikt nicht beilegen. Die als Kompromiss gemeinte „Göttinger Notverfassung“ vom 15. Januar 1922, hält fest, dass auslandsdeutsche Studenten „ohne Unterschied der Rasse und des Bekenntnisses“ auf Antrag in die Deutsche Studentenschaft aufzunehmen sind. Der Jenaer Asta, der von den Vertretern der Korporationen und der rechtsorientierten „Nationalpolitisch-akademischen Vereinigung“ dominiert wird, lehnt die Göttinger Verfassung mit einer Mehrheit von zehn zu vier Stimmen ab.
Nach dem Mord an Walter Rathenau greift Volksbildungsminister Greil in diese Auseinandersetzungen ein. Auslandsdeutsche Studierende sind demnach nach dem „national-kulturellen Prinzip“ anzuerkennen. Er begründet diesen Schritt wie folgt: „Insbesondere können wir, kann kein Staat überhaupt eine Unterscheidung zwischen Ariern und Nichtariern anerkennen oder dulden. Wohin diese völkischen Bestrebungen führen, zeigen die letzten politischen Ereignisse; diese verlangen daher von der Staatsgewalt, solche Bestrebungen, sowie sie dem Volksganzen schädlich sind, mit allen Mitteln zu unterdrücken, in erster Linie aber die staatlichen Unterrichtsanstalten von ihnen rein zu halten.“
Der grundsätzliche Konflikt war damit nicht beigelegt. Er sollte sich fünf Jahre später im benachbarten Preußen wiederholen. 1927 erlässt der preußische Kultusminister Becker eine Regelung, die den Kreis der Mitglieder der Studentenschaft erheblich erweitern soll: Entscheidend ist nun nicht mehr die Abstammung, sondern die Zugehörigkeit zur deutschen Kulturgemeinschaft durch Sprache, Bildung und Bekenntnis.
Gegen diesen Vorschlag protestiert die Deutsche Studentenschaft republikweit. Auf ihrer Jahrestagung vom 15.–19. Juli in Würzburg spricht sie sich gegen den Beschluss der preußischen Regierung aus. „Der Studententag steht auf dem Standpunkt, daß der in der Würzburger Satzung festgelegte großdeutsche Aufbau der Deutschen Studentenschaft die Grundlage der studentischen Gemeinschaft bildet.“
Die preußischen Kommilitonen werden zum Kampf gegen die Regierungsverordnung aufgerufen. In die Phase der Mobilisierung gegen das neue Studentenrecht fällt auch die vom Amt für politische Bildung der Deutschen Studentenschaft angeregte Schulungswoche zum Thema „Der Staat“ in Weimar. Den Abschluss dieser Schulungswoche bildet ein Vortrag von Max Wundt zum Thema „Der deutsche Volksstaat“.

Kultusminister Becker gibt nach. Die Entscheidung über das neue Studentenrecht wird in die Hand der Studierenden gelegt. Am 30. November lehnen 26 von 27 preußischen 27 Studentenschaften mit großer Mehrheit die Ministerialverordnung Beckers ab.
Literatur
Die Deutsche Studentenschaft (Hrsg.), Die deutsche Studentenschaft in ihrem Werden, Wollen und Wirken, Tetschen 1928.
Holger Zinn, Die studentische Selbstverwaltung in Deutschland bis 1945, in: Matthias Steinbach und Stefan Gerber (Hrsg.), Zwischen Wissenschaft und Politik. Studien zur Jenaer Universität im 20. Jahrhundert, Jena/Quedlinburg 2005, S. 401–437.
Bildnachweis
Hintergrundbild Anhang:
- Bild: Universitätshauptgebäude
- Quelle: https://www4.uni-jena.de/Kontakt_Anreise.html
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