
Der Vorschlag für die Berufung des Gymnasiallehrers und Schriftstellers Hans F.K. Günther soll aus Umfeld Schulze-Naumburgs und des Münchener Verlegers Julius Friedrich Lehmann gekommen sein. In dessen Lehmann-Verlag war nicht nur Günthers „Rassenkunde des deutschen Volkes“ erschienen. Auch Max Wundt hatte hier publiziert.
Im März 1930 teilt Frick der Universität mit, dass er plant, Hans F.K. Günther auf einen neu zu schaffenden Lehrstuhl für „Rassenkunde und Eugenik“ zu berufen. Eine daraufhin aus Vertretern unterschiedlicher Fakultäten gebildete Kommission kommt zu dem Schluss, der nicht habilitierte Günther sei für eine Universitätsprofessur ungeeignet. Als Frick auf seinem Vorhaben beharrt, stellen sich auch Rektor und Senat gegen die Kommissionsentscheidung. Frick würde die universitären Rechte bei der Besetzung von Lehrstellen verletzen.
Allerdings unterstützt der Asta unter dem Vorsitzenden und NSDStB-Mitglied Walther Schöttler die Entscheidung Fricks. Auch Prof. Ludwig Plate, der Nachfolger Haeckels in Jena, setzt sich für dessen Berufung ein. Er unterstützt ausdrücklich die Etablierung der „Rassenkunde“ an der Universität Jena. In dem von ihm vorgelegten Sondergutachten schreibt er: „Er [H.G.] hat das grosse Verdienst, Tausenden den Blick für Rassenunterschiede geöffnet und ihnen zur Erkenntnis gebracht zu haben, dass wir Deutsche stolz sein sollen auf unser Erbgut und es vor Überfremdung und Vermischung mit minderwertigeren Anlagen behüten müssen.“ Als Frick verspricht, sich künftig an die Statuten zu halten, zeigt sich die Universität zufrieden.
Schließlich kann sich Frick durchsetzen. Günther wird als Professor für Sozialanthropologie an die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät berufen. Am 15. November 1930 hält er seine Antrittsvorlesung über „Die Ursachen des Rassenwandels der Bevölkerung Deutschlands seit der Völkerwanderungszeit“ in der Aula der Universität Jena. Für die Antrittsvorlesung waren Hitler, Göring, Darré und auch Frick nach Jena gereist. Der Tag endet mit einem Fackelmarsch nationalsozialistischer Jenaer Studierender und SA-Formationen vor dem Haus Günthers. Hans Severus Ziegler spricht auf der Abschlusskundgebung.
Der Günther-Verleger Lehmann hat später die These vertreten, dass mit der Berufung Günthers die „Rassenkunde“ universitätsfähig geworden sei. Auch der spätere Rektor Karl Astel schreibt 1941, damals hätte die Entwicklung der Friedrich-Schiller-Universität zur „ersten rassen- und lebensgesetzlich ausgerichteten Hochschule Großdeutschlands begonnen.“
An der Universität hält sich der inhaltliche Widerstand gegen die Positionen Günthers in Grenzen. Wilhelm Peters und Julius Schaxel halten Vorträge, in denen sie sich kritisch mit der „Rassenlehre“ auseinandersetzen. Einer Protestaktion der Liga für Menschenrechte schließt sich in Jena nur Anna Siemsen an. Siemsen war noch unter der Regierung Greil und Fröhlich als Honorarprofessorin an die Landesuniversität berufen worden.
„Die Liga weist darauf hin, daß die ernste anthropologische Wissenschaft die Schriften von Dr. Hans Günther als ein Sammelsurium tendenziöser Klitterung betrachtet, daß die Berufung eines solchen Schriftstellers an eine der angesehensten deutschen Universitäten offensichtlich parteipolitische Zwecke verfolgt, und daß die Tätigkeit eines solchen Universitätslehrers bei der Ausbildung der Jugend offensichtlich im empörenden Widerspruch zu dem Artikel 148 der Reichsverfassung steht.“
Protesterklärung der Liga für Menschenrechte anlässlich der Berufung Günthers

Nachdem die NSDAP bei den Landtagswahlen im Juli 1932 42,5 Prozent der Stimmen gewinnen kann und der NSDAP-Politiker Fritz Wächtler das Amt des Volksbildungsministers im Kabinett Sauckel erhält, wird Anna Siemsen der Hochschule verwiesen. Weder der damalige Rektor Esau, noch der Senat, noch die Fakultät protestieren gegen diese Entscheidung.
Literatur
Alexandra Esche, Hitlers „völkische Vorkämpfer“: Die Entwicklung nationalsozialistischer Kultur- und Rassenpolitik in der Baum-Frick-Regierung 1930–1931, Frankfurt am Main 2017.
Steffen Kaudelka, Die Berufung Hans F.K. Günthers im Jahr 1930 – der Beginn der „Machtergreifung“ an der Universität Jena? In: Matthias Steinbach und Stefan Gerber (Hrsg.), Klassische Universität“ und „akademische Provinz“. Studien zur Universität Jena von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts, Quedlinburg 2005.
Bildnachweis
Bild:
- Titel: Prof. Hans Günther, Aufnahme von 1935
- Autor: unbekannt
- Quelle: Bundesarchiv, Bild 183‑1989-0912–500 / CC-BY-SA
Hintergrundbild Anhang
- Bild: Universitätshauptgebäude
- Quelle: https://www4.uni-jena.de/Kontakt_Anreise.html
- bearbeitet von SB