
Von 1921–24 regiert in Thüringen eine linksozialdemokratische Reformregierung von SPD und USPD (später VSPD) unter Tolerierung und später auch Beteiligung der KPD. Ein zentrales Betätigungsfeld der neuen Landesregierung ist die Bildungspolitik. So plant Volksbildungsminister Max Greil die Neuregelung des Schul- und Bildungswesens vom Kindergarten bis zur Universität.
Greil will deshalb die Trennung zwischen höheren Schulen und Volksschulen aufheben. Stattdessen ist eine einheitliche Volksschule mit anschließender Oberstufe zu schaffen. Dementsprechend soll auch die Lehrerbildung reformiert werden. Sein Reformplan von 1922 sieht vor, dass auch Volksschullehrer ein mindestens zweijähriges Universitätsstudium mit pädagogischer Ausbildung zu absolvieren haben. Für ihn ist für die Bildungshöhe eines Volkes ist nicht nur das Niveau einer kleinen Elite, sondern die Qualität der Volksschule entscheidend.
Dieses Vorhaben stößt auf den Widerstand der etablierten Bildungseliten und führt zu einem republikweit für Aufmerksamkeit sorgenden Hegemoniekonflikt. Viele Professoren sehen durch die Vorhaben Greils ihre Privilegien und Bildungsvorstellungen gefährdet. Aus ihrer Sicht dienen die Universitäten der Pflege der Wissenschaft und sind nicht für die Ausbildung von Volksschullehrern zuständig.
Zu den Professoren, die der Greilschen Reformpolitik feindlich gegenüberstanden, gehörten auch die Philosophen Max Wundt und Bruno Bauch. Insbesondere Wundt gehört zu den aktivsten Professoren während des Hochschulkonflikts.
Greil plant den Aufbau einer eigenständigen pädagogischen Abteilung und schreibt neue Lehrstühle und Lehraufträge für Pädagogik aus. Zum offenen Streit mit der Hochschule kommt es bei Besetzung der neu geschaffenen pädagogischen Lehrstellen.
Die von der Fakultät vorgelegten Berufungslisten enthalten Bewerber mit mangelnder pädagogischer Qualifikation und offene Gegner der Hochschulreform und der Einführung der Lehrerbildung an den Universitäten. Greil lehnt die Listen ab und beruft stattdessen unter anderem Peter Petersen, Wilhelm Peters, Mathilde Vaerting und Anna Siemsen. Greil geht es mit diesen Berufungen auch darum, ein Gegengewicht zu den bestehenden reaktionären Positionen an der Universität zu schaffen.
Die Fakultät akzeptiert allerdings nur den Eucken-Schüler Petersen. Sie versteht das Vorgehen Greils als Eingriff in die universitäre Selbstverwaltung, schaltet den Hochschulverband ein und beklagt in Presseartikeln „diktatorische Maßnahmen“ und „Terror gegen die Landesuniversität“.
Greil kann zwar die von ihm angestrebten Berufungen durchsetzen. Peters, Siemsen und Vaerting werden jedoch weiterhin von vielen ihrer Kollegen angefeindet. Zudem verweigert der Senat der erziehungswissenschaftlichen Abteilung die Anerkennung. Zudem soll der amtliche Verkehr mit Professor Julius Schaxel, dem Beauftragten der Regierung für Personal- und Wissenschaftsfragen der Universität eingestellt werden. Die ab 1924 regierende „Thüringer Ordnungsbund“-Regierung, an der sich der „Thüringer Landbund“, DVP, DNVP, DDP und die von dem Nationalsozialisten Artur Dinter geführte „Vereinigte Völkische Liste“ beteiligen, löst die Erziehungswissenschaftliche Abteilung auf.
Siemsen wird 1932 unter der Regierung Sauckel, Vaerting, Peters und Schaxel werden 1933 entlassen.
Literatur
Timo Leimbach, Der Landtag von Thüringen 1919/20 – 1933, Düsseldorf 2016.
Karsten Rudolph, Die Thüringer Arbeiterbewegung vom Kaiserreich bis zum Ende der Weimarer Republik, Erfurt 2018.
Josef Schwarz, Die linkssozialistische Regierung Fröhlich in Thüringen 1923, Hoffnung und Scheitern, Schkeuditz 2000.
Bildnachweis
Deckblatt und Bild
- Titel: August Fröhlich
- Autor: unbekannt
- Quelle: Büro des Reichstags (Hrsg.), Reichstags-Handbuch 1932. 7. Wahlperiode, Verlag der Reichsdruckerei, Berlin 1933.
Hintergrundbild Anhang
- ehemaliger Thüringer Landtag
- bearbeitet von SB