
Die zweite Hälfe der 20er Jahre gilt als Phase der Stabilisierung der Weimarer Republik. Die Inflation von 1923 war überwunden, es setzte ein leichter wirtschaftlicher Aufschwung ein und unter Gustav Stresemann konnte sich die Republik auch außenpolitisch konsolidieren.
In Thüringen lagen die Dinge etwas anders. Nach dem Einmarsch der Reichswehr und dem Rücktritt der Regierung von SPD, USPD und KPD im Dezember 1923 kam es zu Neuwahlen. Bei diesen gewann der „Thüringer Ordnungsbund“ insgesamt 48 Prozent der Stimmen. Im Ordnungsbund hatten sich DDP, DVP, DNVP und der Thüringer Landbund zusammengeschlossen, um die rot-rot-rote Landesregierung abzulösen. Allerdings verfehlten sie die absolute Mehrheit. Die unter Leutheußer (DVP) gebildete Regierung blieb auf die Tolerierung durch die „Vereinigte Völkische Liste“ bzw. den „Völkisch-sozialen Block“ unter Artur Dinter angewiesen. Damit kommt es hier zur Zusammenarbeit konservativer und völkischer Kräfte.
Das hatte seinen Preis: Der radikale Antisemit und völkische Bestsellerautor Dinter setzte sich für die Entlassung von Juden aus Regierungs- und Beamtenstellen ein. Unter anderem konnte er die Absetzung des jüdischen Staatsbankpräsidenten Walter Loeb durchsetzen. Außerdem erwirkte er noch im März 1924 eine Aufhebung des Verbots der NSDAP und anderer völkischer Gruppierungen. Thüringen erhielt damit eine entscheidende Bedeutung für den deutschlandweiten Neuaufbau der NSDAP. So hielt sie in Weimar 1926 ihren ersten Reichsparteitag nach ihrer Wiedergründung ab. 1925 wird Dinter dafür von Hitler zum Gauleiter für Thüringen ernannt.

Die „Ordnungsbund“-Regierung arbeitete auch an einer Rücknahme der hochschulpolitischen Reformen aus der Ära Greil/Fröhlich. Auf Antrag der Universität beschloss sie die Auflösung der erziehungswissenschaftlichen Abteilung. Ein Ausschuss aus naturwissenschaftlicher und philosophischer Fakultät sollte künftig die Lehrerbildung leiten.
Literatur
Ludger Grevelsförster. Kleine Geschichte der Weimarer Republik. Ein problemgeschichtlicher Überblick, Münster 2003.
Karsten Rudolph, Die Thüringer Arbeiterbewegung vom Kaiserreich bis zum Ende der Weimarer Republik, Erfurt 2018.
Bildnachweis
Deckblatt und Bild 1
- Titel: Richard Leutheußer 1920
- Autor: unbekannt
- Quelle: Reichstags-Handbuch, I. Wahlperiode 1920, Hrsg., Büro des Reichstags, Berlin 1920
- https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Leutheu%C3%9Fer#/media/-Datei:Leutheu%C3%9FerRichard1920.jpg
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Bild 2
- Titel: Arthur Dinter, Gauleiter Thüringen
- Autor: unbekannt
- Quelle: Bundesarchiv, Bild 119‑1416 / CC BY-SA 3.0 DE
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Hintergrundbild Anhang
- Titel: ehemaliger Thüringer Landtag, heute Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar
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