
Nach den vorgezogenen Landtagswahlen im Dezember 1929 kann die NSDAP in Thüringen ihren Stimmenanteil auf 11 Prozent steigern und insgesamt 6 von 53 Mandaten erringen. Hitler verfolgt das Ziel, ein erneutes Verbot seiner Partei zu verhindern, Thüringen zu einem Musterland der NS-Politik auszubauen und Reichsweit die Regierungsfähigkeit der NSDAP unter Beweis zu stellen. Am 10. Januar reist er nach Weimar, um im Hotel „Augusta“ vor Vertretern von bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden Vorbehalte gegen den Regierungseintritt seiner Partei zu überwinden. Und das mit Erfolg: Noch im Januar tritt die NSDAP unter dem Landbund-Politiker Erwin Baum und unter Beteiligung der DVP, der DNVP und der Wirtschaftspartei in die sogenannte „Thüringen-Koalition“ ein. Zudem war es gelungen, den Vorsitzenden der NSDAP-Reichstagsfraktion Wilhelm Frick als Innen- und Volksbildungsminister durchzusetzen.
„Wir werden in Thüringen nunmehr das gesamte Schulwesen in den Dienst der Erziehung des Deutschen zum fanatischen Nationalsozialisten stellen. Wir werden ebenso sehr den Lehrkörper von den marxistisch-demokratischen Erscheinungen säubern wie umgekehrt den Lehrplan unseren nationalsozialistischen Tendenzen und Gedanken anpassen. Der erste Schritt wird die Errichtung eines Lehrstuhls für Rassenfragen und Rassenkunde an der Universität Jena sein.“
hitler in einem Brief 1930

Den damit gewonnenen Einfluss auf Polizei, Schulen und Hochschulen weiß Frick in der Folge zu nutzen: Mit der Billigung seiner Koalitionspartner ordnet er die Einführung von „Deutschen Schulgebeten“ an, entlässt 29 demokratisch-republikanische Lehrkräfte, verbietet Landes- und Kommunalbeamten die Mitgliedschaft in der KPD, sorgt für ein Verbot des Schulgebrauchs des Buches „Im Westen nichts Neues“ und besetzt hohe Polizeiränge durch überzeugte Nationalsozialisten. Zudem setzt er die Ernennung des Architekten Schulze-Naumburg an die Kunsthochschule in Weimar durch. Schulze-Naumburg war seit Mitte der 20er Jahre eine wichtige Verbindungsfigur der völkischen Rechten. Zu seinem „Saalecker Kreis“ gehörten nicht nur der „Rasseforscher“ Hans F.K. Günther, der spätere „Reichsbauernführer“ und Minister für Ernährung und Landwirtschaft Richard Walther Darré, Hans Severus Ziegler, der 1936 zum Generalintendanten des Nationaltheaters werden sollte, und Fritz Sauckel, sondern auch Frick selbst.
Literatur
Justus H. Ulbricht, „Wege nach Weimar“ und „deutsche Wiedergeburt“: Visionen kultureller Hegemonie im völkischen Netzwerk Thüringens zwischen Jahrhundertwende und „Drittem Reich“, in: Wolfgang Bialas und Burkhard Stenzel (Hrsg.), Die Weimarer Republik zwischen Metropole und Provinz. Intellektuellendiskurse zur politischen Kultur, Weimar 1996, S. 24–35.
Detlev Heiden und Gunther Mai (Hrsg.), Nationalsozialismus in Thüringen, Weimar 2005.
Bildnachweis
Bild 1 und Deckblatt
- Titel: Dr. Frick, Inneminister im Kabinett Hitler 1933
- Autor: Robert Sennecke Internationaler Illustrations-Verlag / Agence Mondial
- Quelle: Französische Nationalbibliothek, https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9034549b/
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Bild 2
- Titel: Adolf Hitler im Jahr 1930 in Weimar
- Autor: Heinrich Hoffmann
- Quelle: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / Heinrich Hoffmann
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Hintergrundbild Anhang
- Titel: ehemaliger Thüringer Landtag, heute Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar
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