
In den frühen 20er Jahren bemüht sich Wundt um eine philosophische Grundlegung seiner Ansichten. Die eigene Philosophie versteht er als Weiterführung der antirepublikanischen und antisozialistischen Gegenrevolution. In einer späteren Schrift heißt es: „Die völkische Bewegung steht zurzeit am Scheidewege. Als Kampfbewegung war sie entstanden, um Deutschland vor seinen äußeren und inneren Feinden zu retten, in den Wehrverbänden sprach sich am deutlichsten ihr Wesen aus. […] Die Kampfbewegung muss sich zur geistigen Bewegung vertiefen.“ Diese „Vertiefung zur geistigen Bewegung“ soll durch eine Rückbesinnung auf den deutschen Idealismus erfolgen.
„Denn welche Gedanken sollten uns den Dienst der Erneuerung leisten, wenn nicht die deutscher Philosophie, die Geist von unserem Geiste und Blut von unserem Blute sind?
Max Wundt 1924
Dafür versucht Wundt eine Entwicklungslinie zu konstruieren, die von Alfred von Bollstädt, Jacob Böhme und Meister Eckhardt, Leibniz und den deutschen Idealismus bis zum Neuhegelianismus reicht. All diese Denker hätten Gott als Urgrund der Welt verstanden. Gott ist das Unendliche, das gleichwohl im Endlichen erscheint. Somit versteht das „deutsche Denken“ den Geist als Grundlage der Natur, das Sein selbst als beseelt und lebendig. Die Durchsetzung der göttlichen Ordnung in der Natur ist aber stets unvollständig. Sie bleibt beständige Aufgabe und Kampf. Zu ihm hat der Mensch durch Selbstüberwindung und sittlichen Handeln beizutragen.
Wundt behauptet nicht nur einen gemeinsamen inhaltlichen Kern „deutscher Philosophie“. Er unterstellt auch eine gemeinsame politische Programmatik: „All diese Denker und Dichter bekannten sich zu dem alten deutschen Gedanken, daß geistige Werte nicht nur eine Unterhaltung für müßige Stunden darstellen, sondern daß eine Erneuerung des gesamten Volkslebens aus ihnen hervorgehen soll. Mit deutschen Gedanken wollten sie unser staatliches und gesellschaftliches Leben aufbauen, mit deutschen Gedanken unsere Gesittung und Bildung erfüllen.“ In den Höhepunkten der deutschen Geschichte wird diese Einheit von Geist und Wirklichkeit realisiert. „Was bisher nur Gedanke war, sollte in die Wirklichkeit ausbrechen.“

Wundt projiziert hier seine eigenen politischen Ambitionen auf die Vergangenheit. Zudem verliert die Philosophie hier eine eigenständige kritische Bedeutung. Sie erscheint nur noch als Medium, in dem das Wesen des jeweiligen Volkes zum Ausdruck gebracht und gegen alle anderen abgegrenzt wird.
Literatur
Max Wundt, Die deutsche Philosophie und ihr Schicksal, Bad Langensalza 1924.
Bildnachweis
Deckblatt, Hintergrundbild Anhang und Bild 1
- Titel: Max Wundt
- Autor: Charlotte Gröger
- Quelle: Universitätsarchiv Tübingen; https://www.leo-bw.de/web/guest/detail/-/Detail/details/DOKUMENT/ubt_portraits/54511/Wundt+Max
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Bild 2
- Titelbild: Die deutsche Philosophie und ihr Schicksal
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