
Rudolf Eucken, geboren 1846 in Aurich, Ostfriesland, war schon 1874 an die Universität Jena berufen worden und gehörte den prominenten und öffentlich wirksamen Intellektuellen seiner Zeit. 1908 hatte er den Nobelpreis für Literatur erhalten, später wurde der sogenannte Eucken-Bund für die Verbreitung seiner Lehre gegründet.
Im ersten Kriegsjahr hält Rudolf Eucken insgesamt über sechsunddreißig Reden. Rückblickend schreibt er: „Die Sache der geistigen Führer, der sogenannten Intellektuellen, war es, den Mut zu stärken und für das gute Recht Deutschlands einzutreten.“
Im August 1914 spricht er in der Universitätsaula zum Thema „Die sittlichen Kräfte des Krieges“. Für ihn erweist sich die Gerechtigkeit der deutschen Kriegsführung darin, dass sie zu einer inneren Läuterung führt. „Jeder beeilt sich, sein bestes Opfer zu bringen, das schwerste wird dabei selbstverständlich.“ So ermöglicht der Krieg die Überwindung die Überwindung des Egoismus. Damit können die Einzelnen auch das ihnen Gemeinsame erkennen.
„Gefahren, Nöte, Erfolge, sie sind hier gemeinsame Erlebnisse, so empfindet jeder unmittelbar, mit dem anderen, so versteht er ihn unmittelbar, alle harte Kruste des Eigendünkels und der Absonderung ist jetzt aufgelöst, in großen Wogen geht dasselbe Gefühl, dasselbe Leben durch das ganze Volk, alle Unterschiede des Standes, auch alle Gegensätze der Parteien verschwinden.“
Eucken 1914
Nicht nur die innere Läuterung erweist nach Eucken die Gerechtigkeit des deutschen Krieges. Sie zeigt sich auch darin, dass die Deutschen für ein gerechtes Ziel streiten. Entwickelt wird dieser Gedanke in der ebenfalls 1914 gehaltenen Rede: „Die Weltgeschichtliche Bedeutung des deutschen Geistes.“
Eucken wendet sich hier gegen die „verleumderische Trennung“ zwischen dem Deutschland der Dichter und Denker auf der einen und der Industriekultur der Gegenwart auf der anderen Seite. Demgegenüber soll die Besinnung auf das eigene Wesen erfolgen und die Einheit beider Bestimmungen herausgearbeitet werden.
Die Deutschen seien, so Eucken, ein Volk „tiefster Innerlichkeit“. Sie sind aus innerer Notwendigkeit heraus tätig. „Dies Sichstellen auf sein Gewissen und seine Persönlichkeit, wenn es sein muß, gegen die ganze Welt, das ist echt deutsch.“ Genau diese deutsche Innerlichkeit ermöglicht erst die äußere Beherrschung der Welt und damit auch die großen industriellen Leistungen der Gegenwart. Weil Arbeit hier als innere Bestimmung und Berufung verstanden wird, entstehen Eigenschaften, wie Fleiß, Genauigkeit, Pflichtgefühl etc. Aus der Spannung beider Bestimmungen erwächst demnach die deutsche Größe: Sie führt zur Gestaltung der Welt aus innerer Bindung an ewige Ideale. Die Welt wird als etwas verstanden, das selbst im Werden begriffen ist und dem Menschen wird die Aufgabe zugesprochen, zu ihrer Vollendung beizutragen.
Diesen Gedanken verfolgt Eucken über die Mystik Meister Eckharts, über Luther bis zum deutschen Idealismus. Auf der Grundlage dieser Ideen wären den Deutschen Leistungen möglich gewesen, von denen die Zukunft der Menschheit abhänge. So kann er schlussfolgern, dass die Deutschen „die Seele der Menschheit bilden und daß die Vernichtung der deutschen Art die Weltgeschichte ihres tiefsten Sinnes berauben würde.“
Eucken argumentiert aber bedeutend vorsichtiger als seine Nachfolger: Er widersetzt sich annexionistischen Forderungen und spricht sich gegen die Herabwürdigung der Kulturleistungen anderer Nationen aus.

Allerdings tritt er 1917 der DVP bei. Als der Reichstag im Juli 1917 eine Resolution annimmt, in der die Beendigung des Weltkrieges und das Bemühen um einen Verständigungsfrieden gefordert wird, protestiert Eucken dagegen mit anderen Unterzeichnern in der „Hallenser Resolution“. Über die deutsche Niederlage schreibt er in seinen Lebenserinnerungen: „Das war wohl der traurigste Augenblick der ganzen deutschen Geschichte, als ein Teil des deutschen Volkes sich selbst untreu wurde und alles Gefühl für Scham und Ehre ablegte.“
Literatur
Uwe Dahte, Der Philosoph bestreitet den Krieg. Rudolf Euckens politische Publizistik während des Ersten Weltkrieges, in: Herbert Gottwald und Matthias Steinbach (Hrsg.), Zwischen Wissenschaft und Politik. Studien zur Jenaer Universität im 20. Jahrhundert, Jena 2000.
Rudolf Eucken, Die sittlichen Kräfte des Krieges, Leipzig 1914.
Rudolf Eucken, Die weltgeschichtliche Bedeutung des deutschen Geistes, Berlin 1914.
Rudolf Eucken, Lebenserinnerungen. Ein Stück deutschen Lebens, Leipzig 1922.
Bildnachweis
Deckblatt, Hintergrundbild Anhang und Bild 1
- Titel: Rudolf Eucken, Nobelpreisträger für Literatur 1908
- Urheber: Nobel Foundation
- Quelle: http://nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/1908/eucken-bio.html
- https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rudolf_Eucken_1908.jpg
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Bild 2
- Titelbild von: Rudolf Eucken: „Die weltgeschichtliche Bedeutung des deutschen Geistes“
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