
Karl Korsch, geboren 1886 in Tostedt in der Lüneburger Heide, wuchs in Meiningen auf und studierte Jura und Philosophie in München, Genf und Jena. Während des ersten Weltkrieges wurde er zum entschiedenen Kriegsgegner, 1917 trat er der USPD und später der KPD bei, aus der er jedoch in den 20er Jahren wegen seiner antistalinistischen Positionen ausgeschlossen wurde. Zudem war er 1920 im provisorischen Arbeiterrat von USPD und KPD gegen den Kapp-Putsch aktiv. Seit 1919 ist er als Privatdozent an der Universität Jena tätig, erhält 1922 einen Lehrauftrag für Rechtsphilosophie und wird 1923 zum Professor ernannt.
Daneben ist er jedoch auch auf verschiedenen anderen Ebenen politisch aktiv. Schon während seiner Studienzeit engagiert er sich für die Arbeiterbildungsbewegung, verfasst die Schrift „Arbeitsrecht für Betriebsräte“ und organisiert später Betriebsratsschulungen für die Arbeiter der Zeiss- und Schott-Werke. Ihm geht es um die Vermittlung eines für das Führen von Arbeitskämpfen notwendigen Handlungswissens und damit um das Schaffen der Voraussetzung für die Durchsetzung einer industriellen Demokratie. 1923 gehört er zu den Mitorganisatoren der „Marxistischen Arbeitswoche“ in Geraberg bei Arnstadt, aus der später das Frankfurter Instituts für Sozialforschung hervorgehen sollte.
Auch in inhaltlicher Hinsicht ist Korsch eine der wichtigsten Gründungsfiguren des sogenannten „westlichen Marxismus“. Zeitgleich mit Georg Lukács „Geschichte und Klassenbewusstsein“ erscheint sein Werk „Marxismus und Philosophie“. Hier versucht er, das Verhältnis von Marxismus und Philosophie neu zu bestimmen. Gegen bürgerliche Kritiker, die den Marxismus als allenfalls ökonomische Theorie ohne jeden philosophischen Gehalt verstehen, und die marxistische Orthodoxie der 2. Internationale, die die Philosophie insgesamt auf „leere Hirnwebereien“ und bloße „Ideologie“ reduziert und durch die positiven Wissenschaften überwinden will, versucht Korsch an das kritische Philosophieverständnis des frühen Marx anzuschließen. Die Bewusstseinsgehalte und damit die Philosophie könnten demnach nicht nur als passiver Reflex und bedeutungslose „Nebelbildung“ der wirklichen materiellen Verhältnisse gefasst werden. Eine solche Konzeption reproduziert nach Korsch nur die abstrakte Entgegensetzung von Geist und Natur. Vielmehr sei die Philosophie als eingreifender Teil der sozialen Wirklichkeit zu verstehen. Ideologisch ist demnach nur die Behauptung ihrer scheinbaren Selbstständigkeit. Indem der Marxismus die Gegenüberstellung von Geist und Natur überwindet und beide als Momente eines übergreifenden Ganzen versteht, kann er die eigene praktische Bedeutung erfassen und als Teil einer umfassenden revolutionären Umwälzung des Bestehenden verstanden werden. Für Korsch fällt insofern die Wiedergewinnung der revolutionären Bedeutung des Marxismus mit der Neubestimmung des Verhältnisses von Marxismus und Philosophie unmittelbar zusammen. So wie die einzelnen Tageskämpfe ohne Bezugnahme auf eine übergreifende Bewegung bloße Fragmente bleiben, so sind die einzelnen Elemente kritischer Theoriebildung auf eine umfassende Philosophie zu beziehen.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Karl Korsch an der Universität Jena weitestgehend auf Ablehnung stieß. Schon gegen die Erteilung eines Lehrauftrags für Rechtsphilosophie hatte Max Wundt im Juni 1922 protestiert: Korsch betreibe Propaganda für den Marxismus, hätte keine eigenständigen wissenschaftlichen Leistungen vorzuweisen und darüber hinaus die Frechheit besessen, Professoren als „unproduktive Klasse“ zu bezeichnen. Er wirft ihm auch explizit vor, ein Fremdwortverzeichnis zu verwenden, weil das zeige, dass er sich nicht ausschließlich an universitäre Kreise wende.
1923 wird Korsch kurzzeitig zum Justizminister der rot-rot-roten Landesregierung. Nach dem Einmarsch der Reichswehr im November 1923 tritt er zurück und muss kurzzeitig untertauchen. Nach den Landtagswahlen schützt ihn seine Immunität als Abgeordneter.
Am 9. Mai 1924 versucht er, seine Antrittsvorlesung in Jena nachzuholen. Die Hochschulleitung warnt jedoch, dass Ruhe und Ordnung der Universität gefährdet seien, wenn Korsch hier wieder unterrichten würde. Als Korsch abends an der Universität eintrifft, findet er die Eingänge verschlossen und von zum Teil bewaffneten Korporationsstudenten bewacht. Kurzerhand wird daher die Rede ins Volkshaus verlegt.
Literatur
Karl Korsch, Marxismus und Philosophie, Frankfurt am Main 1966.
Matthias Steinbach, „Das verschlossene Tor der Universität“. Karl Korsch (1886–1961), in: Matthias Steinbach und Michael Ploenus (Hrsg.), Ketzer, Käuze, Querulanten. Außenseiter im universitären Milieu, Quedlinburg 2008.
Bildnachweis
Deckblatt, Hintergrundbild Anhang und Bild
- Titel: Karl Korsch
- Quelle: Marxist.org; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Korsch-karl.jpg
- https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Korsch#/media/Datei:Korsch-karl.jpg
- bearbeitet von SB