
Carl August Emge wird 1886 in Hanau geboren. Er studiert Rechtswissenschaften in Heidelberg, Marburg und Tübingen. 1916 erhält er eine Habilitation für bürgerliches Recht und Rechtsphilosophie in Gießen. Nach Lehrtätigkeiten in Gießen und Riga wird er 1928 außerordentlicher Professor an der Thüringischen Landesuniversität Jena, 1929 erhält er einen Lehrauftrag für Rechtsphilosophie. Im Gegensatz zu seinen Kollegen Bauch und Wundt tritt Emge während dieser Phase politisch nicht in Erscheinung. Das sollte sich allerdings bald ändern. Noch während der Regierung Baum und Frick tritt er am 1.3.1931 als einer der ersten Professoren Deutschlands in die NSDAP ein. 1932 arbeitet er für Rosenbergs „Kampfbund für deutsche Kultur“ und versucht, andere Universitätsprofessoren zum Beitritt zu bewegen. Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 unterstützt er die NSDAP und bei den Reichspräsidentenwahlen desselben Jahres unterzeichnet er zusammen mit seinem Jenaer Kollegen Hans F.K Günther den Aufruf „Die deutsche Geisteswelt wählt Adolf Hitler.“ Diese Unterstützung des NS begründet Emge auch unter Bezugnahme auf philosophische Quellen.
„Bewertung und Deutung der Hitler-Bewegung verdanke ich dem Studium Nietzschescher Ideen über Blüte und Verfall der Kulturen und eigener Beobachtung der gesellschaftlichen Vorgänge.“
Emge im Völkischen Beobachter vom 6.4.1932
1931 veröffentlicht er, noch anonym, die Broschüre „Geistiger Mensch und Nationalsozialismus“. Unter expliziter Bezugnahme auf Nietzsche versteht er hier die Programmatik und die Überzeugungen des NS als „pragmatische Fiktionen“. Sie sind demnach nicht nach ihrem Wahrheitsgehalt zu beurteilen. Entscheidend ist für ihn, ob sie einen einheitlichen Volkswillen schaffen können. So kann er schreiben: „Die wahre Partei hat nur einen Zweck: den konkreten Willen des Volkes möglich zu machen. Das vorläufige Hegemonikon zu sein, das dann ‚als Volk’ handlungsfähig ist.“ Indem die Partei das Volk zu einer handlungsfähigen Einheit formt, trägt sie zu dessen „Lebenssteigerung“ bei.
„Wille“, „Einheit“ und „Leben“ werden zu den beherrschenden Gesichtspunkten. Selbst moralische Unterscheidungen und Rechtsnormen werden ihnen untergeordnet. „Sollen und Dürfen wären also bereits abgeleitete Begriffe.“ Zentrale Elemente der späteren NS-Herrschaft: das „Führerprinzip“, die Herrschaft durch Terror, die Unterordnung des Einzelnen, der Ausschluss Andersdenkender, sowie rassistische und antisemitische Diskriminierungen werden von Emge vorweggenommen. Auch sie gelten ihm als gerechtfertigt, sofern sie zur „Lebenssteigerung“ beitragen.
Emge orientiert sich in dieser Rechtfertigung des NS nicht nur an Nietzsches Begriff des Lebens. Er richtet sich direkt an die Kenner dieser Philosophie. Während die Nationalsozialisten selbst von der Wahrheit ihrer Programme überzeugt sind, adressiert Emge selbst eine intellektuelle Elite, die im Anschluss an Nietzsche die Orientierung an der Wahrheit „überwunden“ hat. Für sie ist allein der Wert für das Leben entscheidend. Dieses Leben ist der Zweck, die konkreten Forderungen und Programme vorübergehende Mittel.
„Das eigene Volk ist der höchste, ehrwürdigste Gegenstand für die blinde und egoistische Masse. Nur hierdurch wird ihre Einordnung möglich.“ Der Glaube an die Ursprünglichkeit dieses Volkes ist aber allenfalls ein nützlicher Mythos. Der „Masse“ wird die Perspektive der Eingeweihten entgegengesetzt. Für sie gilt „das Volk“ erst als Produkt der Formung eines einheitlichen Willens.
Einerseits versucht er so, auch die Bildungseliten der Weimarer Republik für den NS zu interessieren. Zugleich aber drückt er einen philosophischen Führungsanspruch aus: Allein aus der Perspektive der Philosophie sei es möglich, die wahre Bedeutung des NS zu erfassen.
Diese frühe Positionierung sollte sich für ihn auszahlen: Nach dem Wahlsieg der NSDAP im Sommer 1932 ist er als Kultusminister im Gespräch. Unter der Regierung Sauckel wird er zum ordentlichen Professor und zum Kurator an der Thüringischen Landesuniversität Jena ernannt. Hier hatte er insbesondere auch die Aufgabe, die politische Kontrolle der Partei bei Umgestaltung der Hochschulen durchzusetzen.
Literatur
Carl August Emge, (als ab Insullis), Geistiger Mensch und Nationalsozialismus. Ein Interview für die Gebildeten unter seinen Gegnern, Berlin 1931.
Stefan K. Pinter, Zwischen Anhängerschaft und Kritik. Der Rechtsphilosoph C. A. Emge im Nationalsozialismus, Berlin 1994.
Bildnachweis
Deckblatt, Hintergrundbild Anhang und Bild
- Titel: Carl August Emge
- Quelle: Das deutsche Führerlexikon.1934–35, Berlin 1935.
- auch: https://entnazifiziert.com/teil-1-grundlegendes-ueber-den-ausschuss-fuer-rechtsphilosophie-der-akademie-fuer-deutsches-recht/
- bearbeitet von SB