
In den Jahren 1933 und 1934 verfasst Emge eine Vielzahl von Aufsätzen, in denen er die rechtsphilosophischen Grundlagen der Errichtung der NS-Diktatur zu formulieren versucht. Die Wissenschaft versteht er dabei explizit als Teil des NS. „Das wissenschaftliche Bestreben gehört als Moment zu unserer Bewegung. In ihren Begriffen muß sich sozusagen der Geist der Tat selbst erfassen.“ Konkret spricht er der Rechtsphilosophie die Aufgabe zu, die Kampf- und Propagandabegriffe des NS wie „Volk“, „Volksgemeinschaft“, „Blut“, „Boden“, „Rasse“ etc. begrifflich zu bestimmen. Diese Bestimmung soll die Grundlage sein für die Festsetzung neuer, der NS-Ideologie entsprechender Gesetze und ihre Auslegung. Zudem soll so die Schaffung eines einheitlichen Rechtsgefühls ermöglicht werden.
„Unsere Bewegung hat ihren eigenen ‚Geist’, ihre eigene ‚Gesittung’. Die Aufgabe also ist: dieser ‚Gesittung’ durch Einfühlung, Schau und Denken einen begrifflichen Niederschlag zu verschaffen […].“
C.A. Emge 1933
Damit stellt er die Rechtsphilosophie in den Dienst der neuen Herrschaft. Diese Unterordnung ist aber zugleich eine Ermächtigung: Auf dieser Grundlage kann er der Rechtsphilosophie eine Funktion für die Ausgestaltung des NS-Regimes zuschreiben: Sie hat dessen rechtliche Grundlagen zu formulieren und ihr Legitimität zu verschaffen. „Diese Aufgabe, die großen angehenden Fragen zu behandeln, zeigt den Rechtsphilosophen als Erzieher, Helfer, Führer.“
Für die Erfüllung dieser Aufgabe ist nach Emge die Bildung einer einheitlichen „nationalsozialistischen Rechtsschule“ notwendig. Er schlägt vor, dafür die Berufungspolitik auch nach politischen Kriterien auszurichten und das „eigentümlich Deutsche von Fremdem“ abzugrenzen. Damit unterstützt er direkt die mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ im April 1933 begonnene Entlassung von aus politischen oder rassistischen Gründen unerwünschten Hochschullehrern.
In der Folge konnte Emge seine steile Karriere fortsetzen. 1934 verlässt er Jena und folgt einem Ruf an die Humboldt-Universität Berlin. Zur Unterstützung der Berufung hatte die Fakultät ein Schreiben an das preußische Kultusministerium vorbereitet, in dem es heißt: „Die Fakultät freut sich, mit diesem Vorschlage der nationalen Regierung dafür einen Beweis zu erbringen, den Gedanken des nationalen Aufschwungs im Rahmen ihrer Aufgabe wo irgend möglich zu fördern und zu pflegen.“
Ebenfalls 1934 wird Emge stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss Rechtsphilosophie in der „Akademie deutsches Recht“. Die „Akademie deutsches Recht“ war 1933 von Hans Frank, dem damaligen bayrischen Justizminister und Kommissar für die Gleichschaltung des Rechts gegründet worden. Das Ziel der Akademie war die Neuausrichtung des Rechts im Sinne der NS-Weltanschauung. Frank erklärt dazu: „Deutsches Recht wird Rasserecht sein. Die Akademie für deutsches Recht hat die Aufgabe, dieses Recht der deutschen Rasse mit allem Nachdruck in jeder Form weiterhin zu verwirklichen.“ In diesem Rahmen verfolgt Emge seinen Plan, die Rechtsphilosophie zur Leitdisziplin der gesamten NS-Bewegung zu machen. Dafür versucht er unter anderem NS-Größen wie Rudolf Hess, Bernhard Rust, Ernst Röhm und Joseph Goebbels für den Ausschuss zu werben. 1937 wird Emge stellvertretender Präsident und übernimmt 1939 nach der Berufung Hans Franks zum Generalgouverneur im besetzten Polen die Leitung der Akademie. Von ihm erhält die Akademie die Aufgabe, die rechtlichen Grundlagen für Besatzungspolitik zu bestimmen. Es entstehen Gutachten zur „Rechtsgestaltung deutscher Polenpolitik nach volkspolitischen Gesichtspunkten“, die konkrete Vorschläge zur Umsiedlungs- und Assimilierungspolitik in den besetzten Gebieten formulieren. In diesem Sinne erklärt Emge gegenüber Himmler, dass die Akademie bereit sei, sich für das „große Siedlungswerk im Osten nach allen Kräften einzusetzen.“
Nachdem Hans Frank ein 1942 erlassenes Gesetz kritisiert hatte, das Hitler zum obersten Justizherren erklärt hatte, musste er sein Präsidentenamt in der „Akademie deutsches Recht“ räumen. Auch Emge tritt als Vizepräsident zurück, bleibt aber bis zum Ende der Akademie im Präsidium.
Emge am Nietzsche-Archiv
Anfang 1931 übernimmt Emge die Leitung der wissenschaftlichen Kommission für die geplante Nietzsche Ausgabe am Nietzsche-Archiv in Weimar. Das Archiv war 1894 von Nietzsches Schwester, Elisabeth Förster-Nietzsche, gegründet worden. 1897 wurde es in die „Villa Silberblick“ verlegt und hier hatte auch Nietzsche selbst seine letzten Lebensjahre verbracht.

Elisabeth Förster-Nietzsche hatte sich schon Jahre zuvor um eine engere Zusammenarbeit mit der Universität in Jena bemüht. Ihr ging es darum, die prekäre finanzielle Situation und auch den angeschlagenen wissenschaftlichen Ruf des Archivs zu verbessern. Vor Emge hatte allerdings Wundts Nachfolger Hans Leisegang die geplante Zusammenarbeit mit dem Verweis auf die zweifelhaften Editionspraktiken von Elisabeth Forster-Nietzsche abgesagt. Und auch die Universität Jena lehnt eine engere Anbindung ab.
In den Folgejahren versuchen Elisabeth Forster-Nietzsche und Emge erfolgreich, die NSDAP für das Nietzsche-Archiv zu interessieren. So besucht Hitler in den 30er Jahren mehrfach das Archiv und spendet 1934 50.000 Reichsmark für die Errichtung einer Nietzsche-Gedenkstätte neben der Villa Silberblick. Vorgesehen sind nach den Plänen von Schulze-Naumburg eine Bibliothek, ein Wandelgang mit philosophischer Ahnenreihe und eine Feierhalle einschließlich eines Zarathustra-Denkmals.
Auf der Mitgliederversammlung der „Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs“ führt Emge am 6. Dezember 1933 aus: „Das Nietzsche-Archiv hat, wie man weiß, unmittelbare Beziehungen zum Führer. Wir können mit Stolz sagen: Es gibt wohl außer Bayreuth keine Stätte, die durch den Führer nach außen hin so anerkannt ist als kulturelles wichtiges Unternehmen, wie gerade das Nietzsche-Archiv. Nietzsches Ideen befruchten nicht nur den italienischen Faschismus, sondern auch den Geist der deutschen Bewegung.“
Nach dem Tod von Elisabeth Förster-Nietzsche 1935 kommt es zum offenen Machtkampf. Der wissenschaftliche Ausschuss für die Gesamtausgabe beschließt im November 1935, dass ein eigener wissenschaftlicher Vorsitzender nicht notwendig ist. Die bisherigen Aufgaben übernimmt der Vorstandsvorsitzende des Archivs und ehemalige DVP-Minister Leutheußer. Emges Funktion wird damit überflüssig. Begründet wird dieser Schritt auch mit dem Hinweis auf die Untätigkeit Emges am Archiv und seine mangelnde wissenschaftliche Eignung. Im Gegenzug versucht Emge, der Akademie der Wissenschaften in Berlin die Leitung des Archivs zu übertragen. Als dieser Plan scheitert, erklärt er am 11.12.1935 seinen Rücktritt.
Emge nach 1945
„Ich habe die Bestätigung von der höchsten Stelle des Hochschulwesens, dass ich Antifaschist war und bin.“
C.A. emge nach 1945
Nach Kriegsende wird Emge für kurze Zeit im US-Internierungslager in Moorsbrug inhaftiert. In seinem Entnazifizierungsverfahren wird er als Hauptschuldiger angeklagt, später als Minderbelasteter eingestuft. Gegen dieses Urteil legt er Berufung ein.
In seinem Berufungsverfahren behauptet er, von Elisabeth Förster-Nietzsche zum Parteibeitritt genötigt worden zu sein. Er habe sich stets darum bemüht, das Nietzsche-Archiv von parteipolitischen Einflüssen freizuhalten. Er hätte gehen müssen, als dieses Bemühen gescheitert sei. Bei der Schrift „Geistiger Mensch und NS“ handele es sich lediglich um die Aufzeichnung eines Gesprächs, an dem er teilgenommen habe. Gleichfalls sei die „Akademie deutsches Recht“ eine rein wissenschaftliche Institution gewesen, in der auch der rechtliche Neuaufbau für die Zeit nach dem Ende des NS-Regimes vorbereitet worden wäre. Trotz dieser offensichtlichen Unwahrheiten wurde Emge schließlich freigesprochen. Entscheidend dafür war, dass er eine Vielzahl von Stellungnahmen prominenter Wissenschaftler, wie Nicolai Hartmann und Eduard Spranger einholen konnte, die ihn entlasteten und zum Teil als Kritiker des NS erscheinen ließen.
Nach seiner Entlastung bemüht er sich zunächst vergeblich um eine Professur, bis er 1959 einen Ruf an die Universität Würzburg erhält.
Literatur
Carl August Emge, Die Aufgaben der neuen Rechtsphilosophie, in: Juristische Wochenschrift 1933, S. 2104–2105.
Carl August Emge, Über die Beziehungen der nationalsozialistischen Bewegung zu Rechtswissenschaft und Recht, in: Deutsches Recht 1934, S. 31–34.
Carl August Emge, Ideen über die Aufgaben der wissenschaftlichen Rechtsphilosophie, in: Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht 1934, S. 210–212.
Stephan Günzel, Philosophie des Führens. Carl August Emge in Jena und Weimar, in: Kodalle, Klaus M. (Hrsg.), Angst vor der Moderne. Philosophische Antworten auf Krisenerfahrungen. Der Mikrokosmos Jena 1900–1940, Würzburg 2000, S. 157–182.
Stefan K. Pinter, Zwischen Anhängerschaft und Kritik. Der Rechtsphilosoph C. A. Emge im Nationalsozialismus, Berlin 1994.
Bildnachweis
Deckblatt und Bild 1
- Titel: Carl August Emge
- Quelle: Das deutsche Führerlexikon.1934–35;https://entnazifiziert.com/teil-1-grundlegendes-ueber-den-ausschuss-fuer-rechtsphilosophie-der-akademie-fuer-deutsches-recht/
- bearbeitet von SB
Bild 2
- Titel: Die Schriftstellerin Elisabeth Foerster-Nietzsche begrüßt Adolf Hitler vor dem Nietzsche-Archiv in Weimar
- Autor: Spieler, um 1935
- Quelle: Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv
- Bildnummer: DKA_NLKruseKätheundMaxKruse_TeilI_IB50a-0025 http://www.digiporta.net/index.php?id=907094571
- bearbeitet von SB