Hegemoniekonflikt und Universität

Die Jenaer Philosophie zwischen den Weltkriegen

Unruhen am Hotel „Schwarzer Bär“

Ort: Hotel „Schwarzer Bär“, Luther­platz 2

Die Ruhr­be­setzung durch die fran­zö­sische Armee 1923 führt an der Uni­ver­sität Jena und in der Stadt ins­gesamt zu hef­tigen Reak­tionen. So spricht Bruno Bauch am 14.01. auf einer natio­na­lis­ti­schen Kund­gebung im Volkshaus. Hier werden Hörer, die sich nicht am Absingen der Natio­nal­hymne betei­ligen wollen, auch tätlich ange­griffen. Der Asta fordert dazu auf, jeg­lichen Verkehr mit fran­zö­si­schen und bel­gi­schen Per­sonen abzu­brechen. Dozenten sollen dazu auf­ge­fordert werden, mit dem Beginn ihrer Vor­le­sungen zu warten, bis diese den Raum ver­lassen haben. Dieses Schreiben wird vom Rektor gebilligt und am schwarzen Brett der Uni­ver­sität aus­ge­hängt. Er fordert jedoch – aller­dings erst nach Auf­for­derung durch den Stadt­di­rektor – dazu auf, den Fran­zö­sisch­lektor Olivier nicht zu behelligen.

Diese Stim­mungen schlugen sich auch in tät­lichen Aus­schrei­tungen nieder. Im Hotel „Schwarzer Bär“ wohnte seit Sep­tember 1922 die Familie des Barons de Loquessie. Die Ehefrau des Barons war Öster­rei­cherin, die Kinder zum Teil in Deutschland auf­ge­wachsen. Am 10. Februar 1923 sprechen zwei Stu­denten, die sich als Ver­treter der Stu­die­ren­den­schaft aus­geben, bei der Familie vor und fordern die Abreise aus Jena binnen zwei Tagen. Nach Dar­legung der Fami­li­en­ver­hält­nisse ent­schul­digen sich die beiden und ver­lassen das Hotel. Mitte Februar fordern Stu­die­rende jedoch erneut die Abreise und ver­suchen, in das Hotel ein­zu­dringen. Am Nach­mittag des Fol­ge­tages ver­sammelt sich eine größere Gruppe Stu­die­render vor dem Hotel. Sie durch­suchen das Grund­stück und nötigen die Familie – anwesend ist nur der Fami­li­en­vater – in eine Kutsche zu steigen, die ihn zum Bahnhof bringen soll. Am Holz­markt wird diese Kutsche jedoch von einer grö­ßeren Menge ange­halten und die Insassen gezwungen zu Fuß zum Bahnhof zu gehen. Begleitet werden sie dabei von Gesängen wie „Die Wacht am Rhein“ und dem „Deutsch­landlied“. Nach der Abreise der Familie ver­sammeln sich abends erneut natio­na­lis­tische Demons­tranten vor dem Hotel. Sie fordern vom Besitzer Rechen­schaft für die Auf­nahme der Fran­zosen. Schließlich werden etliche Scheiben mit Steinen eingeworfen.

Rektor Bauch wird in der Folge vom Stadt­di­rektor auf­ge­fordert, auf die Stu­die­renden ein­zu­wirken, damit sich derlei Vor­fälle nicht wie­der­holen. Bauch reagiert hierauf äußerst reser­viert. Zum einen sei nicht ver­ständlich, weshalb dies Aufgabe der Uni­ver­sität sein solle und zum anderen hätte nur ein kleiner Teil der Betei­ligten der Stu­die­ren­den­schaft angehört. Nach dem Ein­marsch der Reichswehr in Thü­ringen Ende 1923 werden auch die poli­zei­lichen Ermitt­lungen eingestellt.

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